Nein! Doch!! Ohhhhh!!!

Dieser bekannte Louis De Funès-Ausspruch dürfte ganz gut die Stimmungslage in Frankreich, Großbritannien und einigen anderen Ländern nach dem Europawahltag charakterisieren. Vor allem aber in Frankreich. Wenn Louis de Funès ihn ausspricht ist es allerdings immer lustig. In den Ländern Europas beschreibt dieser Ausspruch jetzt einen Schockzustand über den Wahlausgang, bei dem die meisten Politiker der europafreundlichen Parteien so tun, als hätte ihnen jemand schmutzige Heftchen in den Aktenordner geschmuggelt. Dabei haben sie selbst den Aktenkoffer offen rumgereicht, so dass jeder ihnen diesen Schund einfach hineinlegen konnte. 

Plötzlich sind sie in aller Munde. Und nicht nur die deutsche Ausgabe namens AfD. UKiP, FPÖ, Front National oder Dansk Folkeparti, die sogenannten eurokritischen, euroskeptischen, Europa hassenden Parteien. Erstaunlich, dass die sich überhaupt an der Europawahl beteiligen, wenn sie dieses System verabscheuen. Aber vermutlich müssen sie erst einmal die Unannehmlichkeiten eines Europaabgeordnetendaseins am eigenen Leib erfahren, bevor sie dieses System irgendwann zerstören können. Man könnte leise sagen: Geschichte wiederholt sich. Ach ja, in der Aufzählung fehlt ja noch jemand: die Partij voor de Vrijheid, mit ihrem Spitzenkandidaten Johnnie Flodder. Aber der ist im Gegensatz zu den anderen gar nicht so gut abgeschnitten.

Auf einmal sind alle wieder ganz überrascht und verstehen die Welt nicht mehr. Dabei ist es doch so einfach. Dummerweise ist es eine Demokratie-Analphabetin wie Marine Le Pen, die es ausspricht: “Das souveräne Volk hat gesprochen.” Ja, das ist leider die Wahrheit. Die Stimmen machen das Ergebnis. Und da wir gerade nicht in den Sturm-auf-die-Bastille-Zeiten leben, wo man den Herrschenden unvermittelt klarmachen konnte, was man von ihrem Handeln hält, zeigen es die Wähler alle paar Jahre an der Wahlurne. Was bleibt ihnen auch anderes übrig?

Es ist im Nachhinein ziemlich müßig darüber nachzudenken, woran es denn lag, dass so viele Wähler ihre Stimmen den europakritischen Parteien gegeben haben. Ob aus Frust, aus Protest oder Jux und Dollerei. Oder lag alles doch nur am Wegfall der 3-%-Hürde?

Wichtig ist einzig, dass die etablierten Parteien Lehren aus der Europawahl ziehen. Und bitte nicht, die reflexartigen des französischen Premierministers Valls: Steuerentlastungen! Das macht immer den Eindruck, als ob man im Nachhinein jemand kaufen wolle. Die richtigen Lehren zeigt Roland Nelles in einem Kommentar auf. Hierbei ganz besonders: sich von den Populisten nicht kirre machen lassen und weniger Arroganz gegenüber den Menschen wagen! So eine Formel kommt immer gut an, denn wir erinnern uns: Geschichte wiederholt sich. Auch in ihren großen Worten.

In der zweiten Lehre liegt auch der Punkt, weshalb es populistische Parteien wie die Front National überhaupt geschafft haben, sich in die Köpfe der Menschen und schließlich auf ihren Wahlzettel zu schummeln: weil sie einfache Antworten auf deren Probleme finden, die aus der Finanz- und Schuldenkrise rühren, die seit Jahren die europäische Gemeinschaft im Griff hat. Denn offenbar ist genau dies, wofür die EU inzwischen steht. Nicht für Reisefreiheit, Chancen oder Verständigung. Und dies vor allem bei den jungen Menschen. Nicht umsonst hat die Front Nationale gerade bei den unter 30-jährigen ihre größten Erfolge erzielt.

Es geht also nicht um Vertrauen, wie es die etablierten Politiker so reflexartig wieder zu gewinnen versuchen, nachdem sie es über eine lange Zeit durch absurde oder nicht verständliche Handlungen zerstört haben. Es geht um Verständnis. Um ernst nehmen. Wähler sind keine Masochisten. Irgendwann schlagen sie zurück. Mit dem Wahlzettel.

Die Wahl ist gelaufen. Das Ergebnis da. Die Populisten im Parlament. Das ist bedauerlich, aber kein Untergang. Die Demokratie kann dies aushalten. Sie kann sich wehren. Sie wird sich wehren müssen. Und falls den etablierten Parteien nichts einfällt, Martin Sonneborn hat da bestimmt gute Ideen.