Gefangen in der Sorglosigkeitsökonomie

Seit einigen Wochen geht es in der Literaturwelt zur Sache. Zwischen Amazon und einigen großen Verlagsgruppen. Und wie das so bei Auseinandersetzungen ist, bei denen viel Geld auf dem Spiel steht und grundlegende Ansichten aufeinanderprallen: raushalten geht nicht. Man muss sich entscheiden, auf welcher Seite man steht! Seit einigen Tagen positionieren sich viele deutsche Autoren im Aktionsbündnis Fairer Buchmarkt: für einen Buchmarkt, an dem alle, Verlage, Buchhändler, Verlagsautoren auch Amazon und selbstverständlich auch Selfpublisher zu fairen Bedingungen teilhaben sollen. Eine gute Idee, die aber Widerspruch hervorruft, z.B. in Form eines offenen Briefes der Selfpublisher, die die Kritik an Amazon nicht verstehen. Schade! Denn anscheinend überwiegt bei Selfpublishern nach wie vor das Wohlgefallen der Sorglosigkeitsökonomie, in die sie ihre Partnerschaft mit Amazon gebracht hat. 

Ich glaube nicht, dass es den Begriff “Sorglosigkeitsökonomie” gibt. Er klingt aber gut, um eine bestimmte Haltung zu beschreiben, in der sich Selfpublisher befinden und aus der sie sich nicht heraus bewegen wollen: die Sorglosigkeit ökonomisch vorteilhafter Bedingungen. Und die bietet ihnen immer noch Amazon! Kein Verlag. Egal ob groß oder klein. Das kann man leicht recherchieren. Bei Amazon verdienen Selfpublisher an E-Books einfach mehr als bei Verlagen. Punkt. Nur allzu verständlich, dass sie die Kritik an Amazon als vorurteilsbeladenes Bashing stigmatisieren.

Die Logik der Sorglosigkeitsökonomie ist richtig und unwiderlegbar. Sie hat aber einen entscheidenden Fehler: sie ist kurzsichtig und verwechselt Geschäftspartner mit Kunden. In gewisser Weise erinnert sie an die Sorglosigkeit, der man sich hingibt, sobald man einen Riesenauftrag von einem Riesenkunden hat, an dem das ganze Geschäft hängt. Man nimmt den Gewinn gerne mit und gibt gleichsam seine Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit ab.

Oftmals hört man von den Selfpublishern das Argument, das Amazon nicht zu kritisieren sei, weil es seinen Kunden die besten Angebote bietet. Das stimmt. Nur bedeutet beste Produkte zu besten Preisen, dass Herstellungskosten, Personalkosten oder Ausgaben für sonstige Produkte und Dienstleistungen, die man “einkauft”, gering sind. Selfpublisher sind keine Kunden. Sie sind Geschäftspartner, die noch eine gute Vergütung für ihre Dienstleistung erhalten. Und wie lange noch?

Amazon ist ein Unternehmen, das auf Profit aus ist. Und diesen erreicht man durch geringe Kosten und hohe Umsätze mit möglichst hohen Margen. Da ist es klar, dass irgendwann auch die Vergütung der Selfpublisher angepackt wird. Und dann? Die “Marktmacht” des einzelnen Selfpublishers gegenüber Amazon dürfte als nicht existent anzusehen sein, was dazu führen wird, dass sie sich dem Diktat der neuen, schlechteren Bedingungen beugen werden müssen. Und warum? Weil Amazon die Bedingungen diktieren kann. Genau dies passiert gerade in den Auseinandersetzungen mit Verlagsgruppen wie Hachette und Bonnier.

Und genau deshalb suchen die Initiatoren von Bündnissen wie der Aktion Fairer Buchmarkt den Schulterschluss mit allen Betroffenen. Aber hier verweigern sich die Selfpublisher. Und warum? Weil sie nicht betroffen sind! Noch!

Leider ist es die fehlende Abstraktionsfähigkeit von der eigenen aktuellen Situation hin zu dem, was kommen mag, die eine konzertierte Aktion, wie sie in der Politik so gerne genannt wird, verhindert. Nur weil ich derzeit/noch (?) nicht betroffen bin, setzte ich mich nicht mit anderen zusammen. Dabei hätten Selfpublisher gleichsam einen guten Aspekt, den sie in eine konzertierte Diskussion einbringen könnten: die ungerechtfertigte Ignoranz der (stationären) Buchhändler ihnen gegenüber. Diesen Punkt könnten sie als ihr Interesse einbringen, der in einer gemeinesamen Diskussion zu lösen sei. So wie auch die anderen beteiligten Parteien (auch Amazon) ihre Interessenlangen einbringen könnte, um sie so weit es geht, mit allen Beteiligten auszugleichen. Genau dies ist der Ansatzpunkt der Aktion Fairer Buchmarkt.

Doch stattdessen gibt es keinen gemeinsamen Ansatz. Lieber, die falsche Sicherheit, dass man mit Amazon derzeit gute Geschäfte machen kann. Gut, dann noch mal schnell absahnen. Denn vielleicht heißt es schon schneller als man denkt: die fetten Jahre sind vorbei.