Auf Wiedersehen und vielen Dank!

Ja, tatsächlich! Es ist genau so wie man im Titel lesen kann: mit diesen Zeilen verabschiedet sich der Klarspüler von seinen Lesern, dankt für die Aufmerksamkeit, wünscht allen alles Gute und stellt alsbald den Betrieb ein. Nicht heimlich, einfach so, indem sich der Betreiber nicht mehr um die Seite kümmert (auch wenn man in den letzten drei Wochen diesen Eindruck gewonnen haben könnte), sondern aus guten Gründen, die den Lesern natürlich nicht vorenthalten bleiben sollen; derlei gibt es nämlich drei.

Da ist zunächst einmal die Zeit. Das regelmäßige Schreiben der Artikel samt Recherche dafür, die Pflege der Facebook- und Twitterseite, all das bindet Zeit, die dann für andere Dinge, die einem im Grunde relevanter erscheinen, fehlt. Man kann sich zwar eine Zeit lang einreden, dass man trotzdem alles schafft. Leider spielt da die Realität nicht mit. Am Ende erreicht man gar nichts und das fühlt sich dann doppelt blöd an.

Dann ist da noch die Eitelkeit, der man sich hingibt, weil man glaubt, zu bestimmten Themen etwas zu sagen zu haben, weil man mit den Artikeln einen bestimmten Aspekt betont oder eine bestimmte Sichtweise aufgreift. Dies kann sein, ist aber in Ihrer Reichweite doch sehr eingeschränkt. Einfluss auf Debatten haben tatsächlich nur anerkannte und etablierte Journalisten, Kommentatoren, Experten und Blogger. Da braucht es nun wirklich nicht noch eine weitere Stimme, die sich einmischt und dazwischen krakeelt.

Der dritte Grund ist der für mich relevanteste, der letztlich den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hat. Es ist die Erkenntnis darüber, wie derzeit in der deutschen Informations- und Nachrichtenwelt Debatten geführt werden: in einer Weise, die mir nicht zusagt und dem widerspricht, was ich für eine vernünftige Auseinandersetzung halte.

Diese vernünftige Art setzt an den Argumenten derjenigen an, die anderer Meinung sind, und versucht herauszufinden, wo sie sich irren, etwas missdeuten, falsch darstellen oder ggf. Recht haben. Es geht also um die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber. Davon hat sich die aktuelle deutsche Informations- und Nachrichtenwelt verabschiedet. Beispielhaft hierfür stehen die mediale Verwertung der Ukraine/Russlandkrise oder des Nahostkonflikts.

Und nein, damit will ich mich nicht an der Schelte der deutschen Zeitungen und Nachrichtensender beteiligen, nach der diese uns seit Monaten mit ihrer Berichterstattung manipulieren. Denn ganz ehrlich: manipulieren lassen kann sich nur derjenige, der nur einer einzigen Quelle traut, sich nicht breiter informiert und seinen Verstand zur Deutung der Informationsvielfalt nicht nutzt. Zumindest dachte ich das bisher. Aber anscheinend ist uns letzteres abhanden gekommen. Und warum? Weil wir im Zeitalter von Facebook, Twitter und Photoshop leben und daher alle Informationen manipulierbar sind. Zumindest ist dies die reflexartige Reaktion auf sämtliche Bild-, Ton- und sonstige Materialen, die medial genutzt werden, um z.B. Verbrechen in kriegerischen Auseinandersetzungen zu dokumentieren bzw. zu beweisen.

Diskussion, Argumentation, Bewertung des Vorliegenden findet nicht mehr statt. Es geht nur noch um die Diskreditierung des anderen als Manipulator. Nur, weil uns heutzutage diese Technik zur Verfügung steht. An der Wahrheit, an der Aufdeckung des Unrechts, am Darlegen der Fakten scheint niemand mehr interessiert, auch wenn es nach wie vor ehrlich und wahrhaftig arbeitende Journalisten gibt, die ihr Bestes geben. Einige von ihnen habe ich persönlich kennengelernt.

Anhand dieser Erfahrungen kann ich nur resümieren: zum Glück steht uns diese Technik erst heute zur Verfügung. Welche Verbrechen der Geschichte würden als potentiell manipuliert diskreditiert, hätten wir die technischen Möglichkeiten schon viel früher besessen. Zu dieser Erkenntnis brachte mich vor einigen Wochen ein Besuch in meiner Heimatstadt, Katowice, die nicht weit entfernt von Oswiecim (Auschwitz) liegt.

Vor ein paar Wochen war ich zum ersten Mal in Auschwitz. Neben vielen Einzelbesuchern, fielen mir die zahlreichen israelischen Schulklassen und Soldatentruppen auf. Es waren ziemlich viele, mindestens zehn Gruppen zu jeweils 30 – 40 Leuten. Ich nehme an, dass ein Besuch in Auschwitz für sie zum historischen Pflichtprogramm gehört, um einmal den Ort des Grauens zu besuchen, an dem ihre Vorfahren so unendliches Leid erfahren haben. Auch für meine Eltern, die in Polen aufgewachsen sind, gehörte ein Besuch in Auschwitz zum Pflichtprogramm. Und natürlich besuchen auch viele Deutsche diesen Ort, um nicht zu vergessen, was Deutsche einst in ihrem Wahn fähig waren an zu richten.

Auschwitz. Dieser Begriff lässt einen erstarren. Man bekommt sofort ein beklemmendes Gefühl und kann nicht anders als unendlich traurig sein, weil man nicht begreifen kann, wie so etwas möglich war. Dass Auschwitz die abscheulichste Tat in der Menschheitsgeschichte ist, darüber herrscht Einigkeit. Genauso wie darüber, dass eine Leugnung eine Ungeheuerlichkeit ist. In Deutschland steht das sogar unter Strafe.

Und ich frage jetzt: was wäre, wenn wir Facebook und Twitter und Photoshop und alle anderen Manipulationsmöglichkeiten schon damals gehabt hätten? Würden wir dann anderes über Auschwitz reden? Würden wir uns dann in gegenseitigen Manipulationsvorwürfen ergehen? So wie es heutzutage fast reflexartig mit allen Bildern, Tonaufnahmen und Kommentaren aus Krisengebieten oder Kriegen geschieht?

Sicherlich werden das die meisten sofort zurückweisen, aber was derzeit an vielen Stellen geschieht folgt genau diesem Muster. Verbrechen, Gewalt, Leid geschehen, es wird darüber berichtet, es gibt Bilder, Tonaufnahmen, Kommentare in sozialen Netzwerken. Und das einzige worum sich die Diskussion dreht, ist der gegenseitige Versuch, den anderen als Manipulator darzustellen. Was und wie etwas wirklich geschah, steht nicht mehr zur Debatte.

Dabei vergisst man leider eins: die Leidtragenden, die Opfer, die man auf den Bildern sieht, auf den Tonaufnahmen hört, in den Kommentaren erwähnt, sind keine digital manipulierte Berechnung. Sie gibt es wirklich und durch das oben skizzierte Verhalten, wird man zu einem Leugner dieses Leids. Einem Leugner, den man an anderer Stelle nicht dulden würde.

Schade, dass der Stand der Technik über Wahrheit entscheidet und nicht gute Recherche.

In diesem Sinne, haltet die Augen weiterhin weit geschlossen.