Vor einiger Zeit verkündete der SAP Konzern, in den kommenden Jahren vermehrt Menschen mit Autismus als Softwaretester und Programmierer einzustellen. Das ist doch mal eine Ansage!
Endlich entdeckt die Personalpolitik eines deutschen Konzerns andere Zielgruppen, orientiert sich nicht mehr ausschließlich am Stromlinienförmigen, marktkonform Studiertem, das seine Lebensläufe durch Praktika, Bestnoten, Blitzstudierzeiten, soziales Engagement, Auslandserfahrung sowie babylonische Sprachvielfalt schillernd aufpoliert hat und selbstbewusst vom Bewerbungsfoto grinsend bereit ist, die Karriereleiter empor zu stürmen. Bravo, endlich einmal andere Köpfe, deren Eignung erkannt wurde. Oder handelt es sich hierbei doch nur um eine großangelegte Imagekampagne, der man im Glauben an ein “es geht auch anderes” leichtgläubig erliegt?
Na ja, mit den Mitteilungen von Unternehmen ist das so eine Sache. Da sie prinzipiell in der Öffentlichkeit stehen, hat jede Äußerung automatisch in irgendeiner Form Einfluss auf ihr Image. Von daher wäre es zu einfach solche Meldungen reflexartig als bloße Imagekampagne abzustempeln, ohne sich mit den Hintergründen und Ansatzpunkten zu befassen.
Für die Umsetzung dieses Vorhabens hat sich SAP mit der dänischen Initiative specialisterne zusammen getan, deren Ziel es ist, so viele Autisten wie möglich ins Berufsleben zu bringen. Und dies macht SAP nicht zum ersten Mal, sondern hat bereits in Indien und Irland gute Erfahrung gemacht. Jetzt soll das Programm neben Deutschland auch in weitere Länder übertragen werden.
Natürlich wird SAP durch dieses Engagement nicht zum sozialen Heilsbringer der Wirtschaft mutieren. Schließlich ist der Hintergrund nicht Menschen, die bisher von der Arbeitswelt ausgeschlossen waren, endlich einzubeziehen, sondern das unternehmerische Interesse, aus besonderen Fähigkeiten, einen Vorteil für die eigene Wertschöpfung zu ziehen. Was ein gutes Recht eines jeden Unternehmens ist. Und wenn Autisten diese geforderten Fähigkeiten besitzen und sie dies in die Arbeitswelt bringt – ich sage bewusst noch nicht integriert -, dann haben beide Seiten etwas davon und ich kann diesen Abschnitt mit der Businessphrase der Win-Win-Situation beenden.
SAP hat den ersten Schritt getan, den man begrüßen sollte, der auf den ersten Blick auch mehr zu sein scheint, als ein spontaner Einfall, der bloß gut fürs Image ist. Aber wie das mit ersten Schritten nun mal ist: sie alleine bringen einen nicht ans Ziel. Die vielen Schritte danach sind entscheidend. Von daher wird es jetzt darauf ankommen, was sich aus dieser Initiative entwickelt, ob sie tatsächlich die seichten Gewässer der Forderungs- und Ankündigungspolitik verlässt und große Fahrt aufnimmt oder im Dickicht der Umsetzungshürden stecken bleibt. Dies wird es zu gegebener Zeit zu bewerten gelten, indem man die Maßnahmen und deren Ergebnisse mit der ursprünglichen Ankündigung vergleicht und Konsequenzen daraus zieht. Das wird dann der letzte und vielleicht sogar wichtigste Schritt sein. Bis dahin sollte man jedoch den Bedenkenträger in sich wieder wegschicken und der Sache eine Chance geben.
Eine Kritik kann ich mir am Schluss aber doch nicht verwehren. Es hat natürlich was mit Kommunikation zu tun und zeigt, dass neue Wege meistens mit alten Schuhen betreten werden. So kommentierte die bei SAP für Vielfalt und Integration zuständige Mitarbeiterin die Einstellungsinitiative mit dem Satz, dass der Konzern die Erfahrung gemacht habe, dass beim Einsatz von gemischten Teams nicht nur die Produktivität steige, sondern auch die Kundenzufriedenheit.
Ah nee, eine brandneue Erkenntnis verpackt in einer Phrase, die auf jede andere Gruppe gepasst hätte. Schade, ein einfaches: wir wenden unsere Aufmerksamkeit jetzt auf Menschen, die wir bisher übersehen hatten, hätte eine größere Kraft – auch für das Image – gehabt. Aber es besteht ja noch die Chance, etwas zu lernen. Ein großer Teil des Weges ist noch zu gehen.