Der einzig wahre Bewerbungstipp

Achtung! Dieser Artikel wird ihr Leben verändern. Denn hier erfahren Sie, wie Sie sich auf einen Topjob mit 250.000 € Jahresgrundgehalt plus Aktienoptionen, Altersversorgung, Dienstwagen, Tantieme und sonstigem Schnickschnack bewerben und diesen auch kriegen! Glauben Sie nicht? Ok, dann lesen Sie nicht weiter. Wenn doch, dann aufgepasst.

Zunächst einmal wie es nicht geht. Oder besser gesagt: wenn Sie nicht den oben erwähnten Topjob wollen, sondern irgendeine 0815-Berufseinsteigerstelle, dann erwähnen Sie in ihrem Anschreiben die guten Noten, die zahlreichen Praktika bei DAX-30 Unternehmen und internationalen Organisationen, das Auslandsjahr an der Uni in Murmansk, das ehrenamtliche Engagement in der Suppenküche in Dortmund am Borsigplatz und die zehn exotischen Fremdsprachen – nein, Latein zählt nicht -, die sie alle verhandlungssicher – auch wenn dieses Attribut völlig idiotisch ist – beherrschen und bringen alles als Superqualifikation in Zusammenhang mit den Aufgaben, die in der Stellenausschreibung stehen.

Wenn Sie schon ein paar Jahre weiter sind und feststellen, dass irgendetwas an ihrem Job nicht stimmt, weil Sie ihn nach ein paar Jahren immer noch machen, ohne dass sich irgendetwas verändert hat, die ganzen Versprechen von Weiterentwicklung, Karriere oder Verantwortung sich in Luft aufgelöst haben, weil mal wieder ein Umstrukturierungsprojekt durch die Firma getrieben wird, sie also die Schnauze voll haben und jetzt einfach eine 0815-Veränderung wollen, dann erwähnen Sie in ihrem Anschreiben ihre Erfahrung in diesem und jenem Gebiet, mischen noch irgendwas mit Herausforderung bei und garnieren das ganze mit Zusatzqualifikationen, die sie auf der ersten Stelle erworben haben und die zusammen die passende Superqualifikation ergeben, die gerade gesucht wird.

Das hört sich bekannt und langweilig an? Ist es ja auch. Dann doch lieber den Topjob? Ok. Die Regel ist ganz simpel: suchen Sie sich einen Aspekt heraus, von dem 99,999999% der Bewerber annehmen, es sei ein K.O.-Kriterium. Dann deuten Sie diesen zu einer Qualifikation um und profitieren von der Alt-Herren-Naivität in deutschen Vorstandsetagen. Zu abstrakt? Ok, dann nehmen wir mal das konkrete Beispiel eines Anschreibens, das in dieser oder ähnlicher Form in den letzten Wochen bei der Firma Strabag eingegangen sein könnte:

“Bla, bla, bla … mein frühestmöglicher Eintrittstermin ist der 01.01.2020, da ich bis dahin eine Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit und Untreue verbüße. Jedoch hoffe ich dieses Jahr auf Freigang, so dass ich dann meine Finanzexpertise erfolgreich bei Ihnen einbringen kann.”

Ach, Sie glauben das mit der Freiheitsstrafe könnte ein Problem sein? Unsinn! Es ist doch ihre Qualifikation. Außerdem bewerben Sie sich für einen Topjob. Da gelten andere Regeln und Maßstäbe. Vergessen Sie diese Selbstdarstellungs-, Verkaufs-, Optimier- und Hochglanzpolierrhetorik in den Anschreiben. Gerhard Gribkowsky hat es vorgemacht. Von ihm könnte nämlich der oben erwähnte Auszug aus dem Bewerbungsanschreiben stammen.

Und was hat es jetzt mit der Alt-Herren Naivität auf sich? Die liefert Hans Peter Haselsteiner, der bis Anfang Juni Vorstandsvorsitzender bei Strabag war: “Ich glaube nicht, dass er mich betrügen wird”, zitiert ihn die Wirtschaftswoche als Kommentar zu Gribkowskys Engagement. Das ist natürlich inhaltsleerer Quatsch und nur noch von der Sorglosigkeit junger Gespielinnen zwielichtiger Geschäftsleute zu toppen. Aber man bewegt sich ja in ähnlicher Gesellschaft. Trotzdem muss Hans Peter Haselsteiner noch einen draufsetzen, indem er den Quatsch in eine suggestive moralische Verpackung steckt: “Gribkowsky im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu resozialisieren, ist im öffentlichen Interesse.”

Nee, ist es nicht. Das einzige, woran die Öffentlichkeit Interesse hat, ist die Frage, ob er für sein Vergehen bestraft wird. Außerdem: Resozialisierung fängt auch schon bei 1-Euro Stundenlohn im örtlichen Park an. Aber vielleicht merken Sie schon: mit logischen Argumenten ist gegen diese Einstellung – im doppelten Sinne – nicht anzukommen.

Und was lernt man jetzt daraus für die eigene Bewerbung? Hören Sie auf das blankpolierte, optimierte, an Herausforderungen interessierte Weichei zu sein! Seien Sie ein echter Kerl, der auch mal einen richtigen Fehler macht! So in der Kategorie: ein paar Millionen verbraten, eine Firma vor die Wand fahren. Damit zeigen Sie, dass Sie mit den großen Dingen in der Wirtschaft vertraut sind und umgehen können. Auch wenn es mal in die Hose geht.

Das ist der Trumpf, der sie von anderen abhebt und direkt in die Topjobs bringt. Denn oben werden die Charakterköpfe gebraucht. Unter ist nur der optimierte Einheitsbrei. Und da wollen Sie doch nicht hin, oder?