Die Erfahrung eines ganzen Lebens im politischen Rampenlicht kulminiert irgendwann in der Erkenntnis: Kämpfe werden nicht mit der Flinte geführt, sondern mit der Feder. Deshalb greifen altgediente Politiker am Ende ihrer Karriere gerne zu selbiger, wenn sie schon nicht durch den Wechsel in einen lukrativen Wirtschaftsposten ausgelastet sind. Kommt dabei eine Biographie heraus ist es schlicht Eitelkeit, die bedient wird. In allen anderen Fällen schlägt Starrköpfigkeit im Endstadium bockig um sich.
Rainer Brüderle hat jetzt auch ein Buch geschrieben und drei Mal darf man raten, um was für eine Art von Buch es sich wohl handelt und welches ein Hauptthema ist? Richtig. Die Sexismusdebatte von einst rebrüderled. Damit man sich die 14,95 € sparen kann, an dieser Stelle die völlig überraschende Pointe des schmalen Büchleins: “die bösen Medien haben alles aufgebauscht. Eigentlich war da nix!”
Diese Hauptaussage ist bezeichnend. Genau so bezeichnend wie der Titel des Buches: “Jetzt rede ich!” Bezeichnend, weil er einiges über die Altherrenriege dieser Brüderles verrät: Jetzt, will er reden. Nicht damals, als das Thema aktuell war und man sich eine Stellungnahme gewünscht hätte. Nein, jetzt. Aus der sicheren Entfernung heraus, auf Abstand zu den Medien, zu Laura Himmelreich und den eigenen Parteikollegen. Reden will er, aber nicht mit jedem, sondern nur mit Hugo Müller-Vogg. Mit dem Rest redet er nicht, er schreibt sie an und nennt dies Kommunikation. Wohl gemerkt, es geht hier um einen ernsten Vorwurf der im Raum steht, etwas an dem man eigentlich interessiert sein müsste es klarzustellen, indem man miteinander redet. Aber reden heißt für einen alten Herren wie Brüderle: Einwegkommuniktion. In geschriebener Form, vom Sender an den Empfänger, Rückkopplung unerwünscht, da unnötig. Deshalb sehen Brüderles Parteikollegen der Veröffentlichung auch skeptisch entgegen. Vielleicht nicht wegen der vertretenen Haltung, aber zumindest wegen des unglücklichen Veröffentlichungstermins.
Rainer Brüderle hatte offenbar noch etwas Wichtiges in der Sexismusdebatte zu sagen, um sich gegen die vorgebrachten Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Dazu greift er zu den typischen Waffen alter Herren, die nichts mit Kommunikation und Debatte und Dialog zu tun haben, sondern eher an Verlautbarungen von Honoratioren erinnern, die zu gegebener Zeit verkündet werden, ohne das es noch weiterer Klärung bedarf.
Die typischen Waffen alter Herren, irgendwie erinnern sie in ihrer Art an die Waffen störrischer kleiner Jungs, die sich uneinsichtig auf dem Boden hin- und herwälzen und laut schreien, weil die Welt nicht so ist, wie sie sie gerne hätten. Da hilft nur: Ohren zuhalten und ignorieren.