NSU – die nicht stattfindende Untersuchung

Da gibt es ja dieses Sprichwort: “When in Rome, do as the Romans do”, was schlicht und ergreifend meint, dass man sich einer fremden Kultur am besten anpasst, indem man sich so verhält wie die anderen. In Deutschland sagt man gerne kurz und knapp: andere Länder, andere Sitten. Ob damit wirklich das gleiche gemeint ist, sei mal dahingestellt.

Leider gilt ebenfalls: was in einem Bereich klappt muss nicht unbedingt in anderen Zusammenhängen funktionieren. Manchmal ist es sogar fatal. Zum Beispiel, wenn man den Sinngehalt des obigen Zitats auf den NSU-Prozess anwendet. Unglücklicherweise ist genau das passiert.

Wie kaum eine andere Abkürzung steht NSU für – genau: die spatzenhirnige Verkörperung eines fehlgeleiteten Lebens voller Hass und Sinnlosigkeit, aber noch viel mehr für die ganze Palette der Begriffe, die Behördenversagen auf ganzer Linie beschreibt.

Aber wenigstens wird jetzt einer Hauptverantwortlichen und einigen Helfern der Prozess gemacht. Wollen wir’s mal hoffen. Denn leider hat auch die Justiz im Vorfeld des Prozesses den oben zitierten Satz zu ihrem Leitmotiv erklärt: when conducting a lawsuit, do as BKA, LKA and all the others investigated. Wie anders lassen sich die unwürdigen Peinlichkeiten erklären, die im Zusammenhang mit dem Akkreditierungsverfahren der Presse abliefen?

Da hilft auch kein reflexartig beschworenes Beschwichtigungsargument: “man wird ja wohl noch einen Fehler machen dürfen”. Nein! In diesem Fall nicht! Denn bei der Aufarbeitung, geschweige denn bei den Ermittlungen vorher, sind derart unglaubliche Fehler passiert, dass einem für die  Behörden dieser Republik nur noch Begriffe einfallen, die mit krummen, gelben Früchten in Verbindung gebracht werden.

Und jetzt auch noch dieses Akkreditierungsverfahren! Zuerst nach dem Windhund-Prinzip, wobei einige Hunde einige Minuten eher loslaufen durften als andere. Wäre bei einem Marathon nicht so schlimm, nur war es hier leider ein 100-Meter Sprint. Nach großem Gezeter und uneinsichtigen Verteidigungsbeschwörungen seitens der Verantwortlichen, dann doch ein “in die Schranken weisen” von ganz hoher Stelle. Wo es an Sensibilität mangelt, hilft eben nur die Keule der Hierarchie. Pfiffig wie die Justiz in diesem Fall ist: beim zweiten Versuch das Zufalls-Prinzip gewählt, damit auch keiner sagen kann, es hätte keine Chancengleichheit gegeben. Dumm nur, dass sie keinen Statistiker gefragt haben, der ihnen hätte sagen können, dass auch eine Zufallsauswahl bestimmten Regeln folgen muss. Und schon haben wir das nächste Gezeter, das eventuell vor einem Gericht ausgetragen wird.

Schön und gut. Nur bedauerlicherweise geht es hier um ein Verbrechen, das aufgeklärt werden muss, wo noch viele Fragen offen sind, wo Angehörige leiden und nicht um die Ausschöpfung sämtlicher juristischen Möglichkeiten, die einer Person oder Institution zur Verfügung stehen. Und da soll jetzt keiner mit dem Vorwurf um die Ecke kommen, Kritik am Gebaren der Justiz sei unangebracht, weil es ihre Unabhängigkeit gefährde und sei nur von höheren justizialen Stellen erlaubt. Immerhin hat sich die höchste Instanz der Bundesrepublik, der Zeus des Qualmolymps, ebenfalls in einem Artikel klar geäußert: “Eine mögliche Lösung wäre gewesen, die Verhandlung des Gerichts zu übertragen in einen zweiten und einen dritten Saal. Dazu sind aber offenbar unsere Richter nicht von sich aus schlau genug.”

Natürlich hat jeder auch gehört, dass es unter Juristen umstritten sei, ob dies in Deutschland erlaubt ist. Na und? Kein Grund es nicht zu machen, sondern einfach mal schlau zu handeln. Von sich aus und unter Wahrung der Sensibilität gegenüber den Angehörigen. Aber nicht unsere Justiz!

Die verbarrikadiert sich lieber hinter Regelungen, Zuständigkeiten, Auslegungen und übersieht zu gerne, dass es in einem Prozess nicht ausschließlich um Formalitäten geht. Es geht um Rechtsprechung. Dies hat immer etwas mit den inneren Befindlichkeiten von Personen zu tun. Und diese werden regelmäßig missachtet, wenn nur noch über Formalismen, Verfahren oder Regelungen gerungen wird.

Bleibt nur noch eine böse Frage: weshalb passiert so eine Pannenserie, wenn es um ein Verbrechen mit rechtsextremen Hintergrund geht?

Aber Sie werden doch wohl nichts unterstellen wollen?!! Falsch! Unterstellen kann man vieles, beweisen ist eine andere Sache. Und ich hoffe, dass hier nie jemand diese Unterstellung wird beweisen müssen.