Bewerbungen schreiben – und täglich diskriminiert das Murmeltier

Vor Kurzem hat der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration eine Studie veröffentlicht, in der Ausmaß und Ursachen der Diskriminierung am Ausbildungsmarkt untersucht wurden. Die völlig überraschende Erkenntnis, mit der wirklich niemand rechnen konnte: Murat hat’s schwerer als Michael. Mit dieser Feststellung geben sich die Forscher jedoch nicht zufrieden – sonst wären die Forschungsgelder ja tatsächlich völlig in den Wind geschossen -, nein, sie geben auch Handlungsempfehlungen, wie Diskriminierung bei der Bewerberauswahl zukünftig verhindert werden kann. Leider hat die Lösung nichts mit der Ursache zu tun. 

Schon wieder so eine Studie, die uns vor Augen führt, dass Leistung und Qualifikation zwar schön und gut sind, aber nicht viel nützen, wenn Vorurteile dazwischenfunken. Als ob wir nicht schon längst wüssten, dass Kevin und Justin keine Vornamen, sondern Gegenargumente sind. Und die Tatsache, dass die soziale Herkunft Auswirkungen auf den schulischen Erfolg hat, gehört fast schon zum deutschen “Kulturgut”. Aber mit der Erforschung von Ungleichheiten ist es wie mit dem Betrachten von rosa Elefanten: da will man noch mal genauer hingucken, um zu verstehen, was das eigentlich ist. Am besten auch mal anfassen, weil man es irgendwie doch nicht glauben kann, dass es wirklich existiert.

Jetzt ergeben solche Studien ja nie, dass die Diskriminierung offensichtlich ist. Auf den zurückgeschickten Bewerbungsunterlagen ist der Vornamen ja nicht rot umrandet und mit einem Blitz markiert. Die Diskriminierung ist subtiler; indem Bewerber mit eher ausländischen Vornamen “im Durchschnitt” mehr Bewerbungen schreiben, länger auf eine Antwort warten oder sich öfter duzen lassen müssen. Also doch nur ein statistisches Problem, von dem man hoffen kann, im Einzelfall, doch nicht betroffen zu sein? Immerhin ergibt sich der Durchschnitt ja aus allen Ereigniswerten, also schlechteren und auch besseren.

Nein, und das sehen auch die Forscher so und plädieren deshalb für anonyme Bewerbungen. Leider zeigen sie damit, dass sie a) keine Ahnung vom Bewerbungsprozess haben und b) die Ursache der Diskriminierung nicht erkannt haben. Obwohl sie mit dieser gesprochen haben. Den Personalern.

Im Zuge der Studie luden die Forscher vom Sachverständigenrat nämlich 13 zufällig ausgewählte Personalverantwortliche ein, die darüber sprechen sollten, wie sie ihre Auszubildenden auswählen. Die zitierten Aussagen eröffnen den Blick auf eine unheilige Allianz aus Unfähigkeit und Dummheit und das auch noch an verantwortlicher Stelle: “Aber bei Türkisch und ach und man hört so viel…Das passt oft nicht.”, “Eine Frau mit Kopftuch an der Rezeption eines Hotels wäre nicht denkbar. Das wollen die Kunden nicht.”, “Wir hatten vor ca. drei Jahren einen ‘Ali’ als Azubi, der nur Schwierigkeiten gemacht hat. Er wurde durch insgesamt drei Betriebe gereicht, bis wir ihn rausgenommen haben. Nun möchte keiner mehr einen ‘Ali’ im Team haben.”

Wer sich bei solchen Personalern bewerben muss, der braucht keine Feinde mehr. Hier sitzt die Diskriminierung fest im Kopf und widerholt, was sie seit Jahren praktiziert. Daher nützen auch anonyme Bewerbungen nichts. Spätestens beim Vorstellungsgespräch sitzt der Bewerber dem Personaler ja in Fleisch und Blut und höchst bekannt gegenüber. Und dann fangen die Diskriminierungsmechanismen im Kleinhirn an zu regieren.

Deshalb brauchen wir auch nicht weitere und noch ausgefeiltere Bewerbungsverfahren, sondern schlicht weniger Idioten in Personalabteilungen! Denn von Personalern wird verlangt, die Besten für das Unternehmen anzuheuern, egal wie sie heißen, woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben oder woran sie glauben. So sagen die das doch immer, oder? Oder ist das auf diesen Hochschulmessen, in den Hochglanzbroschüren oder den Podcasts auf den Unternehmenswebeiten gar nicht so gemeint?

Und falls sich einer dieser Personaler jetzt herausreden möchte, dass dies ja nicht so einfach sei, das Umdenken eben Zeit erfordert und es da viele Widerstände zu überwinden gilt und alles sowieso schwer zu kommunizieren sei, dem will ich eine einfache Regel der Berufswelt vor Augen führen: “that’s what you get paid for!”