Gestern startete die Leipziger Buchmesse. Wie letztes Jahr, werde ich auch dieses Mal nicht dabei sein. Keine Sorge, niemand wird mich vermissen oder vergeblich auf mich warten. Auf den 18-jährigen dänischen Schrifteller Yahya Hassan hingegen werden einige Leute warten, um seine Gedichte zu hören, mit denen er in den vergangenen Monaten Dänemark aufgerüttelt hat. Gedichte, junger Schriftsteller? Da war doch was. Richtig! Eigentlich ist es heute unmöglich einen Gedichtband zu veröffentlichen. Insbesondere ist es für junge, noch unbekannte Autoren grundsätzlich unmöglich überhaupt etwas in einem renommierten Publikumsverlag zu veröffentlichen. Die Geschichte von Yahya Hassan zeigt hingegen: die Möglichkeit unmöglicher Begebenheiten existiert und wir brauchen sie!
Jeder, der schriftstellerisch tätig wird und sein Geschreibsel irgendwann veröffentlicht sehen möchte, ist gezwungen, sich mit den realen Begebenheiten des Publikationswesens auseinander zu setzen, d.h. sich mit Mechanismen und Regeln des Buchmarkts vertraut zu machen. Denn letztlich ist ein Buch ein Produkt. Das klingt zwar schnöde wirtschaftlich, ist aber so. Diese Mechanismen und Regeln sagen uns beispielsweise: Kurzgeschichten und Gedichte liest kein Mensch! Als unbekannter Autor hat man keine Chance, direkt in einem großen Verlag unterzukommen, weil einen niemand kennt, weil man keine Beziehungen hat, weil man keine Marke ist. Lieber soll man sich an kleine Verlage wenden. Oder es in Agenturen probieren. Publikumsverlage interessieren sich nur für amerikanische oder englische Erfolgsautoren, deren Übersetzungen sie auf den deutschen Buchmarkt schmeißen. Etablierte deutsche Autoren sind froh, ihre Karriere vor grauer Zeit begonnen zu haben, als es noch leicht war in die Verlage zu kommen. Das E-Book läuft dem Buch den Rang ab. Wer es bei Agenturen und Verlagen nicht schafft, der wird einfach selbst zum Verlag und macht innerhalb weniger Wochen bei Amazon einen Haufen Kohle.
Das sind Statements wie der Buchmarkt funktionieren kann. Aber nicht muss. Sie beschreiben Spielregeln, die eine Orientierung für die Realität geben können. Und der natürliche Drang der Menschen ist, Regeln und Mechanismen zu umgehen, sie nicht unbedingt abzuschaffen, aber sie zumindest nur für die anderen gelten zu lassen. So kann es dann sein, dass plötzlich einer eine Abkürzung nimmt, vorbei an den ganzen Funktionsprinzipien, wie einer der an der Warteschlange zu einem angesagten Club einfach vorbeispaziert und vom Türsteher reingelassen wird. Vielleicht stand er auf der Gästeliste? Vielleicht. Aber eventuell hat er sich auch von den Regeln und Mechanismen nicht lähmen lassen.
“Wieso haben irgendwelche Verlagsmenschen ausgerechnet an ihm einen Narren gefressen?” wird man mit einem gewissen Unterton des Neids fragen. Der “angry author”, der sich in wortgewaltigen Zeilen über die Ungerechtigkeiten der Realität auslässt ist doch nun wirklich nichts Neues. Leider gibt es darauf keine Antwort, weil man das eigentlich Unmögliche nicht erklären kann. Es existiert aber, ist da, wirkt, überrascht uns jedes Mal aufs Neue, lässt uns zurück mit einer Mischung aus Neid, aber auch Bewunderung, dass es eben doch anders gehen kann. Gerade im künstlerischen Bereich, wo die Wege ins Rampenlicht oftmals verwinkelt und unübersichtlich sind.
Und das sollte uns hoffen lassen, anstatt uns ängstlich davon abzuhalten, es ebenfalls zu versuchen. In dem Sinne, gute Unterhaltung!