Ja, tatsächlich, es gibt einen Ort, an dem das engstirnige Unverständnis für die Notlagen anderer Menschen sein Herrschaftsgebiet hat und sich in zynischen Äußerungen unter dem Deckmantel der Diskussion verbreiten kann. Natürlich ist dieser Ort im Internet zu finden, dort jedoch an einer speziellen Stelle: dem Kommentarbereich bei spiegel online. Dieses Mal trafen Nickname-gesteuerte Spott und Häme den Höhlenforscher Johann Westhauser, der vor einigen Tagen in einer der aufwendigsten Aktionen alpiner Rettungsgeschichte aus der Riesending-Höhle gerettet wurde.
Nein, es hat absolut nichts mit Mut zur Benennung unbequemer Tatsachen zu tun, wenn man die Frage nach den Kosten dieser aufwendigen Rettungsaktion stellt. Auch nicht, wenn man kritisch erörtert, wieso Johann Westheuser sich überhaupt in die Riesending-Höhle begeben musste. Es ist schlichtweg das Eingeständnis, dass man ähnlich gestrickte Problemlagen nach völlig willkürlichen Kriterien in die Kategorien “akzeptabel” bzw. “völlig inakzeptabel” einteilt.
Wer sich über unnötige Kosten aufregt, der sollte wissen, wann sie überhaupt entstehen. Johann Westheuser ist Höhlenforscher und Mitglied im VDHK (Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher), der seinen Mitgliedern rät, für solche Fälle eine private Unfallversicherung abzuschließen. Weil Ihnen das Risiko zu verunglücken bekannt ist. Die grundsätzliche Kostenübernahme für Rettungsaktion solcher Art regelt jedes Bundesland für sich. Bayern unterstützt die Bergwacht nach Artikel 33 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes. Zum Einen bei den Kosten für Material, zum Anderen für Rettungs- und Funktechnik für die Berg- und Höhlenrettung. Es existiert also ein objektives Regelwerk für die Kostenverteilung bzw. -übernahme. Kategorie: “völlig inakzeptabel”.
Akzeptabel hingegen ist hingegen, dass unsere Bundeskanzlerin für das erste Gruppenspiel unserer Nationalmannschaft bei der Fußball-WM mit der Regierungsmaschine auf Steuerzahlerkosten nach Brasilien fliegt. Natürlich, denn schließlich bekommen die Menschen dafür etwas zurück: drei Punkte gegen Portugal, also wieder mal das Gefühl auf der Gewinnerseite des Lebens zu stehen, und als Extrabonbon noch ein Selfie mit Lukas Podolski und Angela Merkel, das man über die sozialen Netzwerke weiterverbreiten kann.
Diese Absurdität nervt! Sie nervt, weil man dadurch in Diskussionen gedrängt wird, die unnütz sind, weil sie in Situationen aufkommen, in denen Institutionen der Sicherheit und Rettung einfach nur funktionieren sollen, weil der Fall eingetreten ist, für den sie eingerichtet wurden. Und genau hier kommt dann die zweite Widersinnigkeit auf, die solche Argumentationen dominiert: das Unbehagen im Ernstfall tatsächlich handeln zu müssen, anstatt sich in der Ruhe des Vorhaltens für den Fall der Fälle sonnen zu können und stolz darauf zu sein, was man nicht alles machen könnte, wenn es mal ernst wird, aber bitte doch niemals wirklich eingreifen müsse, weil dies eben Kosten verursacht.
Deshalb sollten diese ach so schlauen Nickname-Kommentatoren weniger Zeit im Kommentarbereich verbringen, anstatt lieber ganz real den Rettern ein großes und ehrliches Dankeschön für diese verdammt gute Leistung auszusprechen!