Was zeichnet eigentlich eine deutsche Debattierkultur aus? Ist es der Hang zur Bedenkenträgerei? Die Neigung zur Akribie? Oder vielleicht doch die Tendenz zur Verjustifizierung sämtlicher Argumente und Sachverhalte?
Nichts von alledem! Es ist schlicht die Angewohnheit die Diskussion bis zu einem Punkt zu treiben, an dem ein ganz bestimmtes Verständnis von Informationsmanagement als Totschlagargument aus dem Hut gezaubert wird, um sich so der Verantwortung für das eigene Handeln zu entziehen und eine weitere Verständigung unmöglich zu machen. Kristallisationspunkte bzw. -worte für diese Angewohnheit sind zwei Begriffe: Holschuld und Bringschuld!
Sobald diese beiden Begriffe in einer Debatte ausgesprochen werden, sind zwei Dinge klar: der andere hat Schuld, weil er etwas Wesentliches für das Gelingen der Kommunikation unterlassen hat. Und nur der, der das Vorhandensein bzw. die Abwesenheit einer Hol- oder Bringschuld definiert, hat Ahnung wie die Kommunikation und Weitergabe von Informationen hätte laufen müssen, damit sie hätte funktionieren können.
Letztens bediente sich Verteidigungsstaatssekretär Stéphane Beemelmans vor dem Drohnen-Untersuchungsausschuss dieses Kniffs der deutschen Debattierkultur. Ok, hier mal zu einem ganz ungewöhnlichen Zweck, da er seinen Chef in Schutz nahm und sich selbst ins Fadenkreuz der Kritik stellte. Aber das Wirkungsprinzip bleibt dasselbe.
Dabei zeigt schon die Formulierung wie widersinnig die Verwendung der Begriffe Holschuld/Bringschuld ist: der Verteidigungsstaatssekretär sehe “auch in der Rückschau keinerlei Holschuld des Ministers”. Dumm nur, dass diese Feststellung in der Rückschau überhaupt nichts nützt, da die Frage, wer eine Hol- oder Bringschuld von Informationen hat, sinnvollerweise am Anfang geklärt werden sollte, damit hinterher keine Unklarheiten bestehen oder man sich gegenseitig die Schuld bzw. Verantwortung zuschieben kann.
Aber vielleicht liegt ja mal wieder ein ganz großes Missverständnis vor, das die Beteiligten davon abhält, sich im Vorfeld mit diesen Begriffen, die ja irgendwie so negativ, belastend und ermahnend wirken, auseinander zu setzen. Holschuld. Bringschuld. Macht man sich jetzt schuldig, wenn man etwas – in dem Fall Informationen – holt bzw. bringt. Ist es so wie der sprichwörtliche Bote, der für die Überbringung einer schlechten (wahlweise auch unangenehmen, wahren etc.) Nachricht bestraft wird? Oh Gott, oh Gott, dann doch lieber die Finger davon lassen. Nachher hat man nur Ärger an der Backe.
Diese Debattierunart nervt und all diesen Holschuld- und Bringschuldpropagierern, die sich im Nachhinein hinter juristisch-angehauchten Begriffsgebilden verbergen und aus der Sicherheit einer wortgewaltigen Deckung Vorwürfe und Schuldzuweisungen wie Granaten in die Kommunikation werfen, sei gesagt: mit dieser Art habt ihr allen Kritikern die Schickschuld in die Hand gedrückt. Die Schuld der Vernunft gegenüber euch so schnell wie möglich in die Wüste zu schicken!